Hör doch mal!

Frühling

Mein „Unterwegs sein“ hat mich heute bis an den Fuß der Schwanenburg geführt.
Es herrscht Frühling pur. Blumen, blühende Bäume, zwitschernde Vögel.
Aber auch: die Schnellstraße, nur wenige 100 Meter Luftlinie entfernt. Ein rufendes, eher sogar weinendes Kind. Und ein Mann, der so laut telefoniert, als solle sein Gegenüber ihn auch ohne die Telefonverbindung vernehmen. Er hört kaum zu und redet viel. Und schnell. Als Stille einkehrt, ist meine Vermutung, dass er aufgelegt hat.

Warum werden Menschen laut? Um gehört zu werden. Über eine Distanz hinweg, räumlich oder gefühlt. Aber sie wollen nicht nur gehört werden. Sondern verstanden.
Und da liegt das Problem, glaube ich. Denn Hören geht meistens recht gut; wenn das Ohr nicht mehr so richtig kann, gibt es sogar Hörgeräte. Aber Verstehen geht nicht immer. Denn Hören ist nicht abhängig vom Willen, verstehen schon. Und es gibt keine „Versteh-Geräte“ für den Verstand. Oder das Herz.

am Meer
Als Antwort auf das Lautsein kommt oft gleichfalls Lautes zurück. Das hängt von der Distanz und vom Willen ab. Vom verstehen wollen.
Wenn jemand räumlich weit weg ist, ist es manchmal auch nicht verstehen können. Dann fragen wir zurück: Was hast du gesagt? Und das Gegenüber schreit vielleicht noch etwas lauter. Damit wir es besser hören. Damit wir es verstehen. Und über räumliche Distanz hinweg macht das auch durchaus Sinn.
Aber warum fragen wir bei gefühlter Distanz und nicht-verstehen eigentlich nicht öfter nach: Was hast du gesagt? Was willst du mir sagen?
Nein. Wir werden laut. Wir schreien. Und wir schreien zurück. Und werden als Konsequenz meistens zwar gehört, aber überhaupt nicht verstanden. Und verstehen auch selbst nicht(s).

Ich hatte übrigens recht. Der Mann hat aufgelegt.

Hurt

I hurt myself today to see if I still feel… I focus on the pain, the only thing that’s real…

Ich höre dieses Lied in voller Lautstärke, während ich von meinem Tattoo-Termin nach Hause fahre. Als ich da auf der Liege lag und immer wieder der scharfe Schmerz durch meine Haut fuhr, kam mir die Frage in den Kopf: warum tue ich das hier?

Und meine Antworten: Weil ich es als ästhetisch empfinde, tätowiert zu sein. Weil es für mich meinen Körper verschönert. Und:  weil ich nach Schmerzen etwas Gutes haben will.

Tattoo

Hier ist meine Theorie: Viele Menschen, die sich mit Bedacht (und nicht aus einer Partylaune oder einem Modetrend heraus) tätowieren lassen, haben Schmerz durchlebt. Physisch, psychisch oder beides. Der Schmerz ist ein Teil ihres Lebens. Und ein Tattoo ist für sie ein Symbol. Für überstandenen oder noch immer vorhandenen Schmerz.  Statt einer Narbe, körperlich oder seelisch.

Vielleicht eine Erinnerung daran, dass es Schlechtes gab, das sie es aber überstanden haben. Manche tragen ihre Verletzungen durch die Tattoos nach außen. Manche möchten ihre Haut, ihre Hülle, durch die Bilder, Formen, Zeichnungen verschwinden lassen, wie eine schützende Decke, die immer da ist. Manche möchten aufbegehren durch ein Tattoo. Einer in ihren Augen vorgegaugelten, heilen Welt zeigen, was wirklich in ihnen ist. Was sie fühlen.

Einige Menschen suchen sich Symbole und Motive aus, die ihnen einfach gefallen. Die sie so ausdrucksvoll, kraftvoll  (ich verzichte auf das Wort „schön“, denn es gibt ja auch durchaus Tätowierungen, die manch einer abstoßend findet und der Träger identifiziert sich trotzdem damit) finden, dass sie diese für immer mit sich tragen wollen. Es gibt auch jene, für die jedes Tattoo eine besondere Bedeutung hat. Die eine Geschichte (vielleicht ihre Geschichte) auf der Haut tragen. Wie ein Bilderbuch.

Noch eine Theorie – ein Grund, warum tätowiert werden süchtig machen kann:
Du leidest, aber nur einen absehbaren Zeitraum. Und dafür bleibt etwas, das du dir ausgesucht hast. Etwas Gewolltes.

The needle tears a hole, the old familiar sting… try to kill it all away, but I remember everything…

Jazz (Kurzgeschichte)

Während die Band ein neues Lied anstimmte, drückte sie ihre Zigarette aus. Die Stummel in dem schwarzen Aschenbecher waren seit Stunden mehr geworden, die untersten noch wütend zerquetscht, die oberen resigniert zerdrückt. Sie würde niemanden außer ihren Zigarettenstummeln spüren lassen, wie sie sich fühlte.
Dieser Mistkerl war wieder bei ihr, da war sie sicher. In letzter Zeit erfand er nicht mal mehr irgendwelche Ausreden, blieb einfach die ganze Nacht weg und kam dann morgens irgendwann wieder, nach seinen geliebten Havannas und einem fremden Frauenparfüm stinkend…
Eben schüttelte sie eine neue Zigarette aus der fast leeren Packung, da betrat er die Bar. Ein Mann mittleren Alters, in der Kleidung eines Geschäftsmannes. Er setze seinen dunkelgrauen Hut ab und zog den Mantel der gleichen Farbe aus, um beide an der Garderobe aufzuhängen. Ihre Augen folgten ihm unablässig. Er mochte aussehen wie ein Geschäftsmann, aber seine Bewegungen in dem schwarzen Anzug – schwarze Weste, weißes Hemd, schwarze Fliege – waren die eines Jägers. Er schaute kurz herüber zur Band und ging dann zur Theke und bestellte etwas. Sie betrachtete seinen breiten Rücken und das halblange, dunkelblonde Haar, durch das er sich fuhr, bevor er das Glas entgegennahm und aus seiner Westentasche eine Packung Zigaretten nahm. Als er sich umdrehte, streifte sein Blick die dunkle Ecke, in der sie saß.

Er schloss die Tür hinter sich und betrat die Bar, die zu dieser späten Stunde nicht mehr viele Besucher aufzuweisen hatte. Er war nicht hier, um sich vollaufen zu lassen, nicht mehr; er wollte nur ein wenig Jazzmusik hören und nicht mehr nachdenken müssen. Es gab zu vieles, was ihm im Kopf herumschwirrte und dabei waren Dinge, an die er nicht denken wollte. Sein Bett würde kalt und verlassen sein, wenn er in seine Wohnung zurückkehrte, und das war es seit einigen Wochen. Unmerklich hatte er sich allmählich fast daran gewöhnt.
Während er Hut und Mantel auszog und an der Garderobe aufhängte, blickte er zu der Band herüber, die gerade inmitten eines langsamen Stücks war, und die ruhige Szene an der Theke, wo nur noch zwei Männer ins Gespräch vertieft standen, untermalten. Er liebte es, hier so spät noch hinzugehen und den Abend bei einer Zigarette und einem Glas Whisky zu beenden. Und den bestellte er auch, als er zur Theke herüberging und sich ungeduldig durch sein zu langes Haar strich, das ihm immer wieder in die Stirn fiel. Als er sich umdrehte, streifte sein Blick eine der dunklen, verrauchten Ecken, in der er zu sitzen pflegte. Und da saß sie. Eine junge Frau in einem scharlachroten, ärmellosen Kleid, deren dunkles Haar offen auf ihre weißen Schultern fiel. In ihren Händen, die in ellbogenhohen, schwarzen Handschuhen steckten, hielt sie ein Päckchen Zigaretten und eine Spitze. Ihre Augen ruhten auf ihm und verfolgten jede seiner Bewegungen. Langsam ging er auf sie zu, ihren Blick mit hochgezogenen Augenbrauen erwidernd.

Als der Mann ihren Tisch erreichte, fragte er in einer leicht rau klingenden Stimme „Darf ich mich setzen?“
Einen Moment lang rang sie damit, ihm sagen zu wollen, dass alle anderen Tische frei und sie allein sein wolle, aber wollte sie das überhaupt? Zum Teufel damit…
„Bitte“, entgegnete sie und er nahm ihr gegenüber Platz, während er sich eine Zigarette anzündete. Nun war es an ihr, die Augenbrauen zu heben.
„Möchten sie mir kein Feuer anbieten?“ fragte sie leise und ein wenig herausfordernd. Er kräuselte einen Mundwinkel, was wie ein schiefes Lächeln aussah, die Augen unverwandt auf sie gerichtet. Dann hob er ihr seine glühende Zigarette entgegen, und sie beschloss, sein Spielchen mitzuspielen. Mit einiger Befriedigung sah sie, wie sein Blick über ihr volles Dekolleté huschte, als sie sich über den Tisch beugte, um den entzündenden Zug zu nehmen. Seine Hände, die seine Zigarette hielten, waren sehr groß, gepflegt und braun gebrannt. Den Rauch tief inhalierend, lehnte sie sich wieder zurück, atmete aus und fragte dann: „Und?“
„Wie bitte?“ gab er zurück, offensichtlich in Gedanken versunken, die Augen noch immer auf sie gerichtet, auch wenn sie nicht sicher war,ob er sie wirklich sah oder durch sie hindurch.
„Sie wollten sich doch zu mir setzen. Also nehme ich an, dass sie mir auch etwas zu sagen haben.“

Er verbrachte einige weitere Sekunden damit, sie versonnen zu betrachten. Dann sagte er: „Ehrlich gesagt, hat mich ihr Blick einfach angezogen.“
Und das war nichts als die Wahrheit. Normalerweise saß er allein, in einer der dunklen Ecken, mit der Musik, seiner Zigarette und seinem Glas Whisky als einzige Begleiter… Aber warum immer alleine sein?
„Und nun möchten sie hier sitzen, Musik hören und mich ansehen?“ fragte sie, und es war eindeutig Belustigung in ihrer Stimme zu hören.
„Warum nicht?“ gab er zurück. „Warum sollte ich nicht Jazzmusik in einer Bar hören und dabei eine schöne Frau betrachten?“
Sie errötete nicht. Wahrscheinlich war sie an Komplimente gewöhnt. Aber sie lächelte, und das machte ihre Züge überraschend weicher. Ihre Augen waren von einem warmen Braun, doch das Lachen erreichte sie nicht ganz. Eine Art Traurigkeit lag in ihnen, die ein paar schmeichelnde Worte nicht vertreiben konnten.
„Dann“, sagte sie und stütze ihr Kinn auf die linke Hand, während die rechte die Spitze mit der Zigarette hielt, „werde ich ein wenig reden, während sie mich ansehen.“
Da stahl sich auch ein Lächeln auf seine Lippen und er nickte ihr aufmunternd zu.

Das Lachen veränderte sein ganzes Gesicht. Kleine Fältchen legten sich um seine dunkelblauen Augen und er tat ihr die kinnaufstützende Geste nach.
„Ich bin heute zum ersten Mal hier“, begann sie und zog noch einmal an ihrer Zigarette. „Ich war es leid, zuhause herum zu sitzen und mir verlassen vorzukommen. Also bin ich in diese Bar gegangen und kam mir hier verlassen vor.“ Der Sarkasmus in ihrer Stimme verhinderte, dass sie selbstmitleidig klang.
„Aber die Musik ist wunderschön.“ Sie bemerkte, dass er sie musterte, während er ihr zuhörte, ganz offen, kein huschender Blick wie zuvor, während die Musiker im Hintergrund ein neues, schwingendes Lied anstimmten.
„Möchten sie tanzen?“ fragte sie plötzlich und er sah ihr in die Augen, mit dem Blick des Jägers, den sie zuvor in seinen Bewegungen erkannt hatte.
„Gern“, erwiderte er nur, stand auf und ließ seine Zigarette achtlos liegen, während seine Hände seine Fliege lockerten. Die Anzugjacke legte er beiläufig auf der Stuhllehne ab. Die schwarze Weste betonte seine breiten Schultern, das weiße Hemd seine braune Haut. Als sie aufstand bemerkte sie, dass er sie ein wenig überragte, was nicht oft vorkam, da sie für eine Frau recht groß war. Er hielt ihr seine Hand entgegen und sie legte die Zigarettenspitze fort und zog sich in einer fließenden Bewegung die Handschuhe aus, um ihre bloße Hand in seine zu legen. Seine Haut war warm, der Druck seiner Hand fest.

Er schloss seine Finger um ihre kühle Hand und führte sie in die Mitte der leeren Bar. Das rote Kleid war aus fließendem Chiffon gefertigt, das sich schmeichelnd um ihre Kurven legte. Der Schnitt ließ einen großen Teil ihres Rückens frei und zeigte durch einen hohen Schlitz an der rechten Seite gerade soviel von ihrem Bein, um die Phantasie anzuregen.
Auf der Tanzfläche angekommen, drehte er sie mit einem Schwung zu sich, fasste ihre rechte Hand mit seiner Linken und legte die andere Hand leicht auf ihren Rücken, spürte ihre weiche Haut unter seinen Fingern. Sie sahen sich in die Augen, während er sie im Takt der Musik zu wiegen begann. Ihr schönes Gesicht war ernst, ihr Blick war forschend, fast fragend, als ob sie ergründen wolle, warum er sie in dieser Nacht, zu dieser späten Stunde, so im Arm hielt. Er war sicher, die Antwort stand in seinen Augen.

Sein Griff war bestimmt, er führte sie mit Nachdruck und verstärkte bei den kleinen Drehungen den Druck seiner Rechten an ihrem Rücken. Sie konnte den Blick kaum von seinen Augen lösen. Der hungrige Ausdruck darin fesselte sie und ließ gleichzeitig so viele Fragen entstehen, die sie gar nicht fragen und erst recht nicht beantwortet haben wollte.
Nein, sie würde nicht fragen, ob er Absichten hegte, ob er bald gehen müsse und wohin, oder ob er sie noch ein wenig fester halten könne. Und sie würde ihm auch nicht sagen, dass sie sich in diesem Moment nicht mehr verlassen vorkam. Sie würde einfach weiter mit ihm tanzen, seinen Körper an ihrem spüren und versuchen, gar nicht mehr zu denken. Nicht an die Einsamkeit, die sie an dem Ort erwartete, den sie in Gedanken nur noch widerwillig „zuhause“ nannte, nicht an ihren Schmerz und die Angst, nicht vollkommen genug zu sein für die Liebe… Nein. An nichts außer ihn.

Plötzlich schloss sie die Augen und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Diese vertrauliche Geste überraschte ihn zunächst, doch dann zog er sie noch näher an sich und vergrub sein Gesicht in ihrem duftenden Haar. Ihr wunderbar weicher Körper war seinem ganz nah, und die Wärme, die sie ausstrahlte, schloss ihn ein. Er streichelte mit seinem Daumen ganz leicht über ihre Finger, während er die andere Hand durch ihr Haar gleiten ließ und sie schließlich an ihr Gesicht legte. Als sie nach einiger Zeit, in der sie sich einfach hin und her gewiegt hatten, ganz in die Nähe des anderen gehüllt, wieder zu ihm aufsah, war der traurige Ausdruck ihrer Augen einer Sanftheit gewichen, die ihn anders berührte als ihr geschmeidiger Körper in dem sündigen Kleid. Er lächelte sie an und sie erwiderte das Lächeln, reckte ihm das Gesicht entgegen und legte ihre weichen Lippen zärtlich auf seinen Mund. Er schloss die Augen und spürte nur noch sie, alles andere war vergessen, sein leeres Bett, die letzten Wochen, in die sich allmählich Gleichgültigkeit und Kälte geschlichen hatten… Alles. Es gab nur noch sie.

Als die Musiker das letzte Lied gespielt hatten und der Barmann die Tische abräumte und die Stühle hochstellte, hielt er in einer dunklen Ecke inne. Auf dem Tisch stand ein voller Aschenbecher, in dem eine vergessene Zigarettenspitze lag. Der Barmann nahm sie an sich und räumte dann kopfschüttelnd das fast volle Glas Whisky fort. Als er schließlich das Licht ausschaltete, lagen über seinem Arm eine Anzugjacke und Paar langer, schwarzer Handschuhe.

Liebespotential

Es ist windig heute am Strand. Die Wolken sind dicht, vielleicht ist es auch immer noch Hochnebel, kein Sonnenstrahl schafft es durch das Grau. Und ich sitze in einem kleinen Strandcafé, schaue auf das Meer und mache mir Gedanken um die Liebe. Warum sie kommt, warum sie bleibt, und warum sie manchmal wieder geht.
In einem Film habe ich den Satz gehört: „Wenn man sich verliebt, dann ist es auch ein wenig so, als verliebe man sich in sich selbst.“

Liebe

Liebe


Und ich glaube, dass das stimmt. Dein Gegenüber bringt die besten Seiten von dir zum Vorschein, du fühlst dich wie die beste Version von dir selbst. Das Gegenüber sieht dich und all das Potential, das in dir steckt. Solange du verliebt bist, ist die Welt ein schöner Ort, alles leuchtet intensiver und sieht besser aus… auch du selbst.
Aber: Verliebt sein ist kein Zustand für die Ewigkeit. Alle Schmetterlinge im Bauch flattern irgendwann fort und dann wachst du eines Morgens auf und findest die rosarote Brille nicht mehr, um sie dir schnell überzustülpen. Das ist dann der Moment, in dem du erkennst, ob das Verliebt sein sich vertieft hat, ob du gar keine rosarote Brille brauchst, weil dein Gegenüber auch ohne schön ist, ob diese Verbundenheit, die wir „Liebe“ nennen, bei euch Einzug gehalten hat… oder ob mit den Schmetterlingen auch alles Schöne, alles rosarote weggeflattert ist und nichts da gelassen hat als Ernüchterung. Plötzlich bist du nicht mehr die beste Version von dir selbst, sondern so, wie du wirklich bist. Und der andere auch.
Und dann schau genau hin. Noch Potential da? Noch Neugier und Freude darüber, den anderen zu entdecken? Noch Glück, zu dem anderen nach Hause zu kommen? Oder erleichtert darüber, dass es nie ein gemeinsames Zuhause gegeben hat?

Ich glaube, wenn das Potential, das man am Anfang gesehen hat, sich zumindest in einigen wichtigen Punkten bewahrheitet hat, bleibt man, dann bleibt die Liebe. Wenn dann noch gleiche Lebensziele und Interessen mit dazu kommen, bleibt die Liebe auch länger. Denn so, wie man sich ein wenig in sich selbst verliebt, wenn alles anfängt, so liebt man sich selbst auch ein wenig mehr, wenn man geliebt wird.
Denn dann hast du den Gedanken: „Ich muss ein liebenswerter Mensch sein, wenn mein Gegenüber das denkt. Denn der von mir geliebte Mensch kennt mich bereits gut und liebt mich immer noch… oder mit etwas Glück, sogar deswegen.“
Im besten Fall hast du genug Selbstwertgefühl, um das dich selbst lieben nicht vollkommen von jemand anderem abhängig zu machen. Und dann, so meine Theorie, bist du am glücklichsten, mit anderen und mit dir selbst. Dann kannst du gemeinsam mit dem geliebten Menschen lachen, weinen, leben. Und wachsen. Die Liebe zwischen zwei Menschen ist nach vielen gemeinsamen Jahren selten dieselbe wie zu Anfang. Sie hat sich weiter entwickelt.

Was passiert aber, wenn nur einer wächst, sich nur einer entwickelt? Oder beide, aber nicht gemeinsam, sondern in vollkommen unterschiedliche Richtungen? Oder keiner von beiden, sondern sie starr verharren? Wenn sich kein Potential mehr entfaltet, sondern verdorrt?
Das ist dann irgendwann kein Miteinander mehr. Entweder ist einer gerade nur unterwegs und hat den anderen zurückgelassen, weil der nicht mitkommen kann oder will, oder aus den Augen verloren, weil der andere gerade ganz woanders ist. Oder beide sitzen da und lassen das Leben und das Potential vorüber ziehen.
Beides ist fatal für die Liebe, für deine und die deines Gegenübers. Oft tun wir dann Dinge, die der alten Liebe nicht zuträglich sind, um unseren Selbstwert wieder zu spüren. Entfernen uns immer mehr, gehen gar fremd, suchen neue Bestätigung von außen dafür, dass wir eben doch liebenswert sind. Was wir tun können gegen den Verlust des Miteinanders, den Verlust der Liebe?
Reden und zuhören. Sich Zeit nehmen. Streiten und versöhnen. Versuchen, einander wirklich zu verstehen. Akustisch und gefühlt.

Dann gibt es nur noch zwei mögliche Ergebnisse:
Du stellst fest, dass das Potential und das Miteinander noch da sind. Dann greifst du mit beiden Händen zu. Oder du sitzt da und stellst fest: das war’s. Mehr gibt es nicht zu sagen, mehr gibt es nicht zu fühlen. Dann gehst du besser.
Und wenn du dann wieder nur mit dir bist? Kein „zu zweit“ mehr? Dann schau, ob du dir selbst genug bist. Wenn du gern Zeit mit dir selbst verbringst, kannst du so schlecht nicht sein. Und das spüren dann auch andere, und es kommen irgendwann neue Schmetterlinge angeflogen. Und bringen neues Potential mit.

am Strand

am Strand


Das Meer ist noch immer aufgewühlt vom Wind, und es sind nach wie vor keine Sonnenstrahlen zu sehen. Aber meine Gedanken sind klar, und in mir ist es ruhig. Der Tee in meiner Hand ist warm. Meine Gedanken über die Liebe sind zu Ende gedacht. Vorerst.

Schubladen

Ich habe eine Familie beobachtet.
Mann, Frau, zwei Kinder, die den beiden Erwachsenen erstaunlich ähnlich sahen. Der Junge wie sein Vater, das Mädchen wie seine Mutter.
Sie saßen am Rhein und sahen den Schiffen zu, wie ich. Der Junge und sein Vater hatten die Köpfe zusammengesteckt und redeten, das Mädchen machte sich auf der Bank lang und legte den Kopf in den Schoß der Mutter; diese streichelte ihr liebevoll über das Haar. Zwischen den Eltern war kaum Kommunikation mit Worten, aber mit Gesten. Ein Blick hier, ein Nicken da: gehen wir weiter? Ein kurzes Streichen über den Arm. Alle vier modisch-sportlich gekleidet, alle vier mit offenem Blick.
Eine Familie.
Ich kenne eine Frau, die sich sehnlich mit ihrer Frau ein Kind wünscht. Die beiden lieben einander sehr und das Kind würde mit dieser großen Liebe aufwachsen. Und doch zuckten einige Menschen zusammen, würde man sagen „So eine schöne, glückliche Familie“.
Ich kenne einen Mann, der mit einer Frau und deren Kind zusammen lebt. Die Frau hat schwarzes Haar, der Mann und der Junge sind beide blond. Wenn diese drei unterwegs sind, sagen die Menschen, die sie sehen: „So eine schöne, glückliche Familie“. Geht dann jemand hin, zeigt mit dem Finger und sagt „Aber das ist nicht der richtige Vater!“?
Wir sehen nur die Oberfläche. Wir beobachten, bilden uns Meinungen, stecken allzu oft in Schubladen. Warum? Damit alles in Ordnung ist?
Schubladen sind zum Aufräumen da, aber gewiss nicht zum Aufräumen mit Vorurteilen.
Was weiß ich denn, ob die Familie, die ich beim Schiffe gucken beobachtet habe, wirklich so glücklich und ausgeglichen ist, wie sie schien. Was wissen denn andere darüber, ob eine Frau und eine Frau ein Kind „gleichgut“ erziehen können wie ein Mann und eine Frau. Ist es nicht am Wichtigsten, dass das Kind in Geborgenheit aufwächst? Wer kann denn beurteilen, ob ein Kind in einer Familie mit dem „richtigen Vater“, der „richtigen Mutter“ aufwächst? Ist man denn nicht richtig, wenn man das Kind liebt? Wenn man für das Kind sorgt, ihm Klarheit und Beständigkeit gibt?
Ich habe im Fernsehen eine Frau gesehen, die sagte: „Meine Eltern sind tot. Aber meine Freunde sind meine Familie.“ Und wieso nicht? Ist Familie wirklich zwingend Blut? Oder ist Familie Liebe, Zusammenhalt, Vertrauen? Es gibt so viele Familien auf dem Papier, die im wahren Leben nicht intakt sind, aus welchen Gründen auch immer. Familie ist das, wozu man sich entscheidet und was man lebt.
Ich habe etwas über einen Mann gelesen, der sein Kind bei seinem Bruder zurückgelassen hat, da er selbst nach dem Tod seiner Frau, die Welt sehen wollte. In die Welt fliehen wollte. Seinem Schmerz davon reisen. Aber sein Kind sollte nicht aus der vertrauten Umgebung gerissen werden. Nicht die Großeltern, Onkel, Tante, Cousins und Cousinen, die es liebte und mit denen es vertraut war, verlassen müssen. Wer bin ich denn, darüber den Kopf zu schütteln? Kann nicht nur derjenige selbst sagen, was für ihn richtig ist? Kann nicht sogar das Kind gesagt haben, das es nicht mitreisen will?
Ich weiß es nicht; denn es stand nicht in dem Text.

im Park

im Park


Also lasse ich die Schublade zu. Vielleicht schaffe ich es sogar eines Tages, sie ganz auszuleeren und nie wieder zu benutzen. So sieht man viel besser, was wirklich da ist.

Begegnungen

Ich war knapp zwanzig Jahre alt, als ich nach meinem Abitur ein freiwilliges soziales Jahr gemacht habe. In der Seelsorge eines Krankenhauses unserer Nachbarstadt.
Ich war dort gelandet aus drei Gründen:
Zum einen wusste ich nicht so richtig, was tun nach der Schule. Das einzige Studium, das mir je erstrebenswert erschien (Journalismus), war in weite Ferne gerückt, da mein Abidurchschnitt eine lange Wartezeit erzeugt hätte. Und mit der Möglichkeit einer Ausbildung hatte ich mich nicht so richtig auseinander gesetzt. Was ich wusste: ich liebte Schreiben, ich liebte Musik, und ich war gern mit Menschen zusammen.
Da das zum zweiten auf bestimmte Menschen aus meiner Umgebung insbesondere zutraf, war es eine Stelle für das FSJ in der Nachbarstadt geworden. Ich wusste wohl, dass man deutschlandweit eingesetzt werden konnte. Wollte ich aber nicht.
Und zum dritten… Seelsorge. Das interessierte mich. Was tat man, wenn man für „Seelen sorgte“? Bei meinem Vorstellungsgespräch mit dem hiesigen Pastor an dem konfessionsgetragenem Krankenhaus erfuhr ich folgendes: die Seelsorge übernimmt das, wofür dem Pflegepersonal oft die Zeit fehlt. Einfach am Bett sitzen, vorlesen, spazieren gehen, kleine Einkäufe erledigen. Da sein, über die körperliche Sorge hinaus. Ich würde nur bei todkranken Patienten sitzen, wenn ich mich stark genug dafür fühlte.

Mit diesem Wissen trat ich meine Stelle an und viele Stunden meiner Zeit vergingen mit Alltag. Durch die Stationen gehen, Kleinigkeiten einkaufen, Post wegbringen, Patienten in den Garten begleiten. An einem Tag in der Woche bereitete ich mit den „grünen Damen und Herren“ (ehrenamtliche, meist bereits pensionierte Mitarbeiter in grünen Kitteln, daher der Name, für jeden Wochentag ein Team) das Frühstück im Altenkrankenheim; der Übergangsort für ältere Menschen, die theoretisch aus dem Krankenhaus hätten entlassen werden können, aber praktisch noch keinen Heimplatz hatten.
Diese Tage waren für mich immer besonders ausgefüllt und ich genoss die Nähe zu einer ganz bestimmten grünen Dame; einer, die den Titel Dame meiner Meinung nach wahrlich verdient hatte. Eine feine, stille, kluge Frau Ende sechzig, die noch aus einer Familie stammte, in der Vater und Mutter mit „Ihr“ und „Euch“ angesprochen wurden. Ich liebte es, wenn sie von früher erzählte, und die alten Herrschaften aus dem Altenkrankenheim liebten es auch.
Abende am Kamin nach großen Familienfesten, Weinernte, große Gesellschaften. Geschichten aus einer ganz anderen Zeit.
„So gedenke ich zu werden, wenn ich selbst in diesem Alter bin“, habe ich oft gedacht. Ihre Weisheit und ihr klarer, geübter Blick auf das Leben haben mich sehr beeindruckt, in einer Zeit, in der ich selbst noch komplett auf der Suche nach mir selbst war.
Lerne ertragen die Fehler der Menschen, bist du doch selbst nicht von Fehlern ganz frei,
lerne geduldig sein, lerne verzeihen, lerne die Liebe, sie hilft dir dabei.
Glaube nie fertig zu sein mit dem Lernen, wenn auch die Schule der Kindheit entflieht.
Dann erst beginnt die Schule des Lebens, die dich mit Strenge zum Menschen erzieht.
Ich habe heute noch ihre Stimme im Ohr und sehe ihr Gesicht vor mir, wenn ich diesen Spruch aufschreibe.

Ebenso wie an diese besondere Dame erinnere ich mich an einen Patienten von der „Liste“. Diese Liste lag in meinem Büro aus und umfasste die Aufenthaltsdaten der Patienten, Geburtstag, erster Tag der Aufnahme usw.  Wenn ich nichts Bestimmtes zu tun hatte, ging ich diese Liste durch, denn es waren immer Mal Patienten dabei, die aus den unterschiedlichsten Gründen länger oder mehrfach im Krankenhaus weilten. Und die besuchte ich dann.
Eines Tages fiel mir ein Name von dieser Liste auf, vor einem Geburtsdatum, das den betreffenden Mann als Ende Vierzig auswies. Er war bereits vor knapp einem Jahr das erste Mal aufgenommen worden und seit dem immer wieder für lange Aufenthalte eingetragen. Ich fragte meinen Chef nach ihm und der wusste sofort, um wen es ging.
„Den können Sie mal besuchen, der ist total nett und freut sich über Gesellschaft.“
Also machte ich mich auf. Die Stationsschwester sagte mir, dass er momentan im Garten sei, aber ich könne ihn nicht verfehlen. „Er fährt nie zu weit raus, stellt sich meistens in der Nähe der Tür in die Sonne.“
Er fährt. In einem Rollstuhl. Soviel wusste ich schon mal. Als ich aus dem Aufzug stieg und durch die Schiebtür in den Garten des Krankenhauses trat, sah ich sofort einen Mann im Rollstuhl. Er war mir schon früher aufgefallen, ich hatte ihm sogar mal zugenickt im Vorübergehen. Jetzt aber ging ich auf ihn zu und sprach ihn an. Ein wettergegerbtes, gutaussehendes Gesicht mit leuchtenden Augen und freundlichen Lachfalten blickte zu mir auf. Er war der Herr von der Liste.
Und in der nächsten halbe Stunde hörte ich eine bewegende Geschichte. Über ein Leben in Freiheit und in der Natur, zu Fuß, auf dem Fahrrad, auf dem Motorrad oder dem Boot, manches Mal auch auf dem Pferderücken. Viel auf Reisen und immer bereit für das nächste Abenteuer. Bis ein Unfall diesem unbeschwerten Leben ein plötzliches Ende bereitete.
„Wissen Sie“, sagte er und schaute an seinen durch zahlreiche Operationen eingekürzten, unbeweglichen Beinen herunter, die gerade ausgestreckt vor ihm auf dem Rollstuhl lagen, „eigentlich wollten mir die Ärzte beide Beine amputieren, weil sie völlig zertrümmert waren. Aber meine Frau redete mir zu, dass wir versuchen sollten, sie zu retten. Denn eine kleine Chance gab es.“
Er blinzelte zu mir hoch gegen die Sonne und lächelte breit. „Auf ein Surfbrett werde ich wohl so schnell nicht mehr steigen, aber es besteht durchaus die Möglichkeit, dass ich irgendwann wieder laufen kann.“
Seit diesem Gespräch hielt ich oft an im Garten. Wir sprachen über mich, über ihn, über das Leben und was es so bereithalten konnte, aber auch über Banalitäten des Alltags.
In der letzten Woche meines FSJs sah ich ihn nochmal, denn er war wieder eingeliefert worden. Er sah müde und erschöpft aus, aber er strahlte mir entgegen: „Wie schön, dass ich Sie nochmal sehe! Wissen Sie, was vorhin passiert ist? Ich habe meine Zehen bewegt! Ganz allein!“
Seine Augen leuchteten noch mehr als sonst. Und ich freute mich sehr für ihn.
Und als ich am Ende meines Arbeitstages zur Straßenbahnhaltestelle ging, freute ich mich über meine Zehen, zehn Stück, alle ganz allein beweglich, am Ende meiner gesunden Füße, am Ende meiner gesunden Beine.

Begegnungen

Begegnungen


Manchmal schenkt einem das Leben Begegnungen, die nachwirken. Das waren auf jeden Fall zwei davon. Und die werde ich nicht vergessen.

 

Spuren

Die goldene Sonne strahlt über den Feldern. Schwalben fliegen tief und tanzen in der Luft. Es ist ein Spätsommermorgen, und die Natur feiert den Regen von letzter Nacht und die sanfte Wärme dieser ersten Stunden des Tages. Der breite Fluss liegt direkt in meinem Blick, dünne Gräser wiegen sich an seinem Ufer im Wind. Hier steht die Zeit still, an diesem Gewässer, das schon so lange hier entlang fließt, und das noch lange nach mir und meinen Gedanken hier fließen wird.

Grieth am Rhein

Grieth am Rhein

Welche Spuren hinterlassen wir auf der Erde? Ich habe ein Buch gelesen über König Otto den II., der am Ufer dieses breiten Flusses, ganz hier in der Nähe, eine berühmte Schlacht schlug. Das ist über 1.000 Jahre her. Und noch immer werden Bücher über ihn geschrieben, kann man Informationen über ihn finden, sprechen Menschen über ihn, lernen Kinder aus Geschichtsbüchern. Könige und Königinnen, Herrscher, Eroberer. Aber auch Künstler, Dichter, Philosophen… sie alle hinterlassen etwas, was noch Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte später Bestand hat, in Worten, Gedanken, Taten.

Aber was ist zum Beispiel… mit meinen Urgroßeltern? Müller und Müllerin in einem kleinen Dorf am Niederrhein, 7 Kinder, viele Enkelkinder, noch mehr Urenkel… Sie waren keine Dichter oder Denker, keine Herrscher, keine „großen Leute“. Doch auch sie haben Spuren hinterlassen. Gespräche zwischen meiner Mutter und mir, noch heute, liebevoll gedenkend. Fotos an der Wand, Fotos in Alben, Postkarten, niedergeschriebene Geschichten, ganz viel Liebe und Zusammenhalt.

Oder meine Großväter, beiderseits? Ein Kaufmann und ein Tischler, vom Wesen her so verschieden… aber beide Maler, und ihre Bilder hängen heute in meiner Wohnung. Aquarell, Bleistiftzeichnung. Diese Bilder bedeuten mir sehr viel, ich betrachte sie und denke an die beiden Männer, die sie erschaffen haben, an meine Erlebnisse mit ihnen. Auch das ist etwas, das bleibt. Spuren auf dieser Erde, in meiner Welt.

Und meine Tochter? Wird sie Lieder singen, die ich geschrieben habe, vielleicht für ihre Kinder? Wird sie Geschichten, die ich festgehalten habe, lesen, lächeln und liebevoll an mich denken? Das wünsche ich mir.

Solche Spuren möchte ich hinterlassen. Vielleicht nicht für jedermann, nicht in Geschichtsbüchern oder auf Leinwand oder im Internet. Aber in den Herzen und Gedanken der Menschen, die mir am meisten bedeuten.

Herzlichst, Sunny

Neue Puzzleteilchen

Ihr Lieben,

long time no see…
Das letzte Mal, dass sich hier „etwas getan“ hat, war es ein Gastbeitrag von der lieben Nella Beinen. Dass ich etwas geschrieben habe, ist noch viel länger her. Seit dem hat sich einiges verändert bei mir. In mir.
Ich habe diesen Blog begonnen (im Sommer 2014. Kommt wir vor wie in einem anderen Leben. Stimmt ja auch irgendwie.) um ihn als Sammelplatz für meine Fotos, meine Reisen und meine Gedanken zu nutzen. Um von mir und meinem Leben, den verschiedenen Puzzleteilchen eben, zu berichten. Tatsächlich tue ich das immernoch, aber nicht hier. Sondern in meinem Tagebuch, ganz altmodisch von Hand geschrieben. Und klebe dort Fotos ein. Ja, echt. So richtig ausgedruckte.
Aber digital geschrieben habe ich auch. Kurze Momente, kleine Geschichten. Hier, hier und hier habe ich soetwas schonmal mit euch geteilt. Und im Moment ist das mein Ding. Wenn ich unterwegs bin und Fotos mache, schreibe ich auch. Gedanken, Gespräche, Ereignisse. Und das wird nun das Gesicht von diesem Blog. Wer weiß, für wie lange, aber erstmal.
Wenn ihr dann auch Gedanken zu meinem Geschreibsel habt und diese teilen möchtet, immer her damit. Ihr findet mich auch auf Instagram unter sunnycloud13. Und wenn ich mal wieder neue Musik habe (auf youtube, Kanal Sunny Cloud13), lasse ich euch das ebenfalls wissen. Es wird hier wieder mehr Leben geben. Und da freue ich mich drauf.

Veränderungen

Ende eines Tages

Herzlichst, Sunny

Gastbeitrag im sonnenpuzzleteilchen

Ihr Lieben,

hier ist es sehr lange sehr ruhig gewesen. Das lag an ganz vielen verschiedenen Dingen, die ich einfach unter einem Wort zusammen fassen möchte: real life.

Ihr wisst, ich schreibe leidenschaftlich gerne, auch wenn mir manchmal die Zeit dafür fehlt. In letzter Zeit habe ich wieder mehr geschrieben, und zwar in mein Notizbuch, das ich immer dabei habe. Wenn ich unterwegs war und mir zu bestimmten Themen Gedanken gemacht habe und dann Zeit hatte, mich hinzusetzen und diese Gedanken zu sortieren, habe ich sie aufgeschrieben. In meinem Kopf nimmt ein Projekt Gestalt an, dazu dann demnächst mehr.

Aber heute melde nicht ich mich zu Wort, sondern eine Herzensfreundin, die das Schreiben ebenso liebt wie ich, Nella Beinen. Auf ihrem Blog hält sie Gedanken über und um das Schreiben fest, und es gibt regelmäßig Updates zu ihren Büchern. Wir kennen uns noch gar nicht sooo lange, aber es fühlt sich anders an. Manchmal gibt es solche Menschen…

Aber lest selbst.

Herzlich, Sunny

 

Hallo liebe LeserInnen vom sonnenpuzzleteilchen,

 

ich freue mich sehr darüber, hier einen Gastbeitrag schreiben zu dürfen und kann euch jetzt bereits versprechen, dass der nicht so lange sein wird, wie die Beiträge von Sonja. Ich bin da eher norddeutsch nüchtern.

 

Sehr lange habe ich überlegt, worüber ich überhaupt schreiben möchte. Irgendwann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: natürlich über Sonja.

 

Sonjas Blog ist ein sehr persönlicher Blog und ich habe die Ehre, diese besondere Frau als Freundin bezeichnen zu dürfen. Auch wenn wir uns erst seit nicht ganz einem Jahr kennen, habe ich das Gefühl, sie bereits seit Jahren zu kennen.

Ich habe über die Monate festgestellt, dass Sonja eine starke Persönlichkeit ist, die sich selbst aber immer noch ab und zu unter den Scheffel stellt. Ihr ist bereits so oft in ihrem Leben weh getan worden, trotzdem lässt sie sich immer wieder auf das Leben ein.

Sonja ist eine sehr selbstreflektierte Person, die gelernt hat, was ihr gut tut und was nicht. Sie formuliert es nur noch viel zu wenig auch sich selbst gegenüber. Sie weiß, was sie möchte und was sie hat. Etwas, das nicht viele von sich behaupten können.

 

Was mich am meisten freut, ist, dass sie einen Partner in ihrem Leben gefunden hat, der sie so nimmt wie sie ist und auch weiß, was er an ihr hat. Er respektiert sie als Mensch, Frau und Mutter. Er hört ihr zu und zeigt ihr in vielen Gesten, dass er sie liebt.

 

Sie ist so vielschichtig und kreativ, dass es wahrscheinlich ein ganzes Leben dauert, bis ich sie ganz kenne, auch wenn wir in uns vielen Dingen sehr ähnlich sind. Was ich hin und wieder ein ganz klein wenig erschreckend finde. Aber wirklich nur ein ganz klein wenig. Oftmals ist es nämlich ziemlich hilfreich. Man benötigt nicht immer so viele Worte, um etwas zu erklären.

Mit Sonja kann man super schweigen. Diese angenehme Stille, wenn man nur nebeneinander sitzt und weiß, der andere ist da, aber man muss jetzt nicht miteinander reden. Ich jedenfalls genieße das schon mal. Meistens sind wir zwar am Reden und die Zeit fliegt dann nur so dahin, aber wir schweigen  auch mal miteinander.

 

Liebe Sonja, ich möchte, dass du immer weißt, dass du bei mir sein kannst, wie du bist. Bist du wütend, dann sei wütend. Bist du traurig, dann sei traurig. Willst du weinen, dann weine. Ich halte dich auch. Wenn du fröhlich sein willst, dann sei fröhlich. Und wenn du irgendwas dazwischen bist, dann sei das.

Sei immer und zu jeder Zeit du selbst. Vergiss nie, wer du bist. Genauso wie jeder andere Mensch auf dieser Welt bist du etwas ganz Besonderes. Ich bin froh, dich kennen gelernt und jetzt in meinem Leben zu haben.

 

Liebe Grüße

Eure Nella

 

Liebe Nella, ich danke dir von Herzen für deine Worte. Sie haben mich ein bisschen sprachlos und vor allem sehr glücklich gemacht. Auch ich bin sehr froh, dich in meinem Leben zu wissen!

Auf dich, mein Herzenskind!

Bald ist dein zweiter Geburtstag. Heute vor zwei Jahren war ich voller Erwartung auf dich.

Wenn ich jetzt dieses Foto betrachte, fühle ich mich zurück versetzt in diese letzten Tage, bevor du das Licht der Welt erblickt hast. Ich konnte jede Bewegung von dir spüren. Wenn ich unterwegs war, hast du meistens geschlafen. Wenn ich dann zur Ruhe kam, hast du mich angestubst. Manchmal konnte ich sehen, wie ein Arm oder Bein von dir, eine Hand oder ein Fuß, meine Bauchdecke gewölbt hat. Wenn ich meine Hand darauf legte, kam ein zarter Druck zurück. Und wenn du Schluckauf hattest (und das war oft der Fall!) ist mein Bauch gehüpft. Dieses Gefühl werde ich nie vergessen.

Du hast dich langsam angekündigt. Mitten in der Nacht hatte ich ein Ziehen im Bauch, das ich so noch nicht kannte. Als ob du mir sagen wolltest „So Mama. Ich glaube, ich mache mich mal auf den Weg.“ Viele Stunden lang ist es bei diesem vagen Ziehen geblieben, vielleicht warst du dir noch nicht ganz sicher, ob du die eingekuschelte Zweisamkeit von uns verlassen wolltest. Aber dann wurde es drängender. Alles in mir war nach innen gerichtet, mein Gefühl, mein Blick, mein Verstand. Ich wollte dich auf deinem Weg begleiten und habe die Schmerzen verflucht, die mir immer wieder dazwischen kamen. Irgendwann waren wir beide erschöpft, besorgt habe ich deinen schwächer werdenden Herztönen gelauscht. „Ihre Tochter möchte jetzt geboren werden“, sagte die Hebamme zu mir. Ja, das hattest du mir zu verstehen gegeben, und das wollte ich auch, aber es war so schwer… und dann passierte es. Eine anstrengende Wehe mehr, ein Druck der Ärztin auf meinem Bauch: plötzlich warst du da. Und gleichzeitig weg. Heraus aus mir. Im ersten Moment spürte ich nur Leere. Kein Schmerz mehr, kein Kind mehr in mir. Und dann wurdest du auf meinen Bauch gelegt und ich konnte dich das erste Mal nicht nur spüren, sondern sehen, riechen, anfassen. Du hast ein bisschen gekräht, wie um der Welt hallo zu sagen, und dann warst du auch schon bei mir eingekuschelt und mit geschlossenen Augen auf Nahrungssuche. Nur halbherzig, denn wir waren beide so müde. Und während wir beide zusammen da lagen, im Kreissaal, ganz in Ruhe, und von draußen eine strahlende Sonne den eiskalten Wintertag beleuchtete, wurde mir klar, dass du doch noch bei mir warst, mit mir verbunden, auch ohne Nabelschnur. Und dass ich dich auch weiterhin behüten würde, auch ohne schützende Bauchdecke um dich herum.

Die ersten Tage und Wochen mit dir waren… voller Emotionen. Staunen, Dankbarkeit, unendlich große Liebe, aber auch Schmerz und Trauer. Bereits in der allerersten Nacht hast du deinen herzzerreißend süßen Dreifach-Seufzer getan, der dir heute noch manchmal entschlüpft, wenn du schläfst, und ich lag wach neben dir im schwachen Krankenhausnachtlicht, habe dich beobachtet und Angst gehabt, du könntest fort sein, wenn ich einschlafe.
Aber du warst und bliebst bei mir, und zusammen haben wir deine erste Zeit auf dieser Welt verbracht. Du hast viel geschlafen, auch nachts, wofür ich sehr dankbar war, und viel getrunken. Aber auch ziemlich früh zeigte sich eine Eigenschaft von dir, die ich bis heute jeden Tag sehe und liebe: deine unbändige Neugier. Stück für Stück hast du die Welt um dich herum entdeckt, erst von meinem Schoss oder aus deinem Tragetuch heraus, mit dem wir zwei viele, viele Spaziergänge durch den erwachenden Frühling gemacht haben, und im Sommer begannst du, zu krabbeln. Alles, alles musste untersucht werden, und ich habe dich mit wachsendem Entzücken beobachtet. Nicht nur warst du ein sehr neugieriges Baby, du warst auch sehr fröhlich und aufgeschlossen und hast mit deinem zunächst noch zahnlosen Grinsen alle um dich herum verzaubert. Nur wenn du Hunger hattest und dieses Bedürfnis nicht gleich gestillt wurde, konntest du sehr unleidlich sein – das hast du wohl von mir.
Als du nach einem guten Jahr deine ersten unsicheren Schritte gemacht hast, hätte ich platzen können vor Stolz. Es war ja klar, dass Krabbeln nicht mehr ausreichte, um deine Neugier zu befriedigen, du wolltest loswackeln und die Welt weiter erobern. Und das hast du.

Dadurch, dass ich dich als Baby bereits überall mit hingenommen hatte, war unterwegs sein für dich das Normalste von der Welt. „Klar, Mama setzt mich wieder ins Auto und los gehts“ schienst du zu denken, wenn wir wieder zu einem Abenteuer aufbrachen. Wiesen und Wälder, Strände und Städte, Menschen und Tiere, alles hast du mit deinen großen blauen Augen bestaunt und aufgesogen. Bunte Bilder in Büchern haben schon früh dein Interesse geweckt, und Mamas Stimme, die (nicht nur zum Schlafen!) sang, wolltest du bald nachahmen. Was soll ich sagen, du hast deine eigene Stimme und beginnst gerade erst, sie zu entdecken. Ob Kinderlieder im Trippel-Trappel-Mäusehaus, Popmusik aus dem Radio oder Beethovens 5., da bist du nicht wählerisch – noch nicht.
Erste Freundschaften entstanden, zwischen dir und einem lieben, geduldigen Hund, und zwischen dir und den Kindern, die du bei deiner Tagesmutter kennenlerntest. Und auch da singst und tanzt du, und immer mehr Worte purzeln aus deinem Mund
Inzwischen erzählst du mir von deinem Tag, wenn ich dich abends zu Bett bringe. Nicht alles kann ich verstehen, aber ich gebe mir Mühe, und du auch. Du lernst jeden Tag, so scheint es mir, etwas dazu.

Ich kann es nicht erwarten, dich noch besser kennenzulernen, mein Herzenskind. Du bist so ein feinsinniger, fantasievoller und empathischer Mensch, und ich bin stolz darauf, dass ich dich (zumindest ein Stück weit) durch’s Leben begleiten darf und sehen werde, wohin dein Weg dich führt. Ich möchte dir weiterhin ein Zufluchtsort sein, so wie damals, als du noch in meinem Bauch warst, oder in deinen ersten Tagen. Aber ich möchte dir auch eine Startbahn geben, wenn du fliegen willst. Und gespannt deinen Geschichten lauschen, wenn du wieder zurück kehrst.
Auf dich, mein Herzenskind. Ich habe dich unendlich lieb.
Deine Mama

Sunny – Auf Dich

Eine Hand auf meinem Bauch, im Herz ein großes Glücksgefühl
ohne es bewusst zu tun, ist lächeln alles was ich will
Was dein Dasein mit mir macht, hätte ich nie ahnen können
man denkt, man plant, man stellt sich vor
und kann es doch nicht benennen…

Und wie sehr du doch mein Leben bereits jetzt verändert hast!
Ich kann niemals wiedergeben, wie gänzlich sprachlos es mich macht
zu wissen, dass du kleiner Mensch, der für mich wie ein Wunder ist
bald ein Teil von dieser Welt sein wirst und jetzt schon unvergleichlich bist…

Wie ein Lied ohne Noten, wie ein Bild ohne Pinselstrich
wie ein Gedicht, ganz ohne Strophen, so unbekannt bist du für mich…
doch wie ein Sonnentag am Strand, wie Lachen können, unendlich,
wie eine Reise in mein liebstes Land, so sehr freu ich mich auch auf dich…!
Auf dich…

Das Video dazu findet Ihr auf meinem youtube-Kanal Sunny Cloud13.
Ich freu mich über Abonennten 🙂